Brutpaare

Entwicklung des Brutbestandes ausgewählter Greifvogelarten in einer Langzeituntersuchung auf dem MTB 4311(nördlicher Teil des Kreises Unna)

Junger Rotmilan am Horst                                                                         Foto:Klaus Nowack

Seit dem Jahr 1975 kartieren Mitglieder des Arbeitskreises Umwelt und Heimat, sowie der NWO den Brutbestand folgender Greifvogelarten: Mäusebussard, Wespenbussard, Habicht, Sperber, Rotmilan und Baumfalke.


Federführend bis zu seinem Tod im Jahr 2020 war Siegfried Feuerbaum, über die Jahrzehnte hinweg mit wechselnden Mitstreitern. Mittlerweile wird das MTB 4311 durch Fritz Angerstein, Klaus Nowack und den Verfasser dieses Artikels Thorsten Prall untersucht.


Das Untersuchungsgebiet erstreckt sich über ca. 132 qkm und umfasst im südlichen Teil Flächen der Städte Lünen und Bergkamen, im nördlichen Teil Flächen der Städte Selm und Werne.


Landschaftlich prägend für den südlichen Teil des MTB ist die Lippeaue, die Bergehalde Großes Holz und das Bergsenkungsgebiet Beversee. Im mittleren und nördlichen Teil des MTB befinden sich die größeren zusammenhängenden Waldgebiete Cappenberger Wald und Kohusholz. Die nordwestlichen und nordöstlichen Flächen des MTB werden von einer Vielzahl zerstreut liegender Bauernhöfe, sowie kleiner Feldgehölze bestimmt, wie sie für die münsterländische Parklandschaft typisch sind.   


Darüber hinaus befinden sich auf dem MTB die großen Siedlungsflächen der Städte Lünen, Bergkamen und Werne.


Die Erfassung der Brutbestände erfolgt durch Kartierung der Nester, mittlerweile mit Hilfe von GPS-Geräten. Dabei werden im Winter gezielt Wälder und Feldgehölze aufgesucht, um die Neststandorte zu erfassen. Im Sommer erfolgt dann durch gezieltes Aufsuchen der Horste die Erfassung des jährlichen Brutbestandes. Die Horstkontrollen erfolgen dabei ausschließlich vom Boden, auf den Einsatz von Drohnen, Besteigen der Horstbäume und Beringung der Jungvögel wird verzichtet.


Somit ergibt sich bei der Erfassung der Jungen eine Dunkelziffer, da bei der ausschließlichen Kontrolle der Horste vom Boden aus nicht auszuschließen ist, dass Junge im Nest übersehen werden.


Daher wird in diesem Bericht die jeweils ermittelte Zahl von Brutpaaren, nicht aber der Bruterfolg dargestellt.


Bestandsentwicklung ausgewählter Arten:




Mäusebussard


Der Mäusebussard ist im Untersuchungsgebiet die häufigste Greifvogelart.


Wie hinreichend bekannt, unterliegt der Bestand dem Vorhandensein seiner Hauptbeute, den Mäusen. So sind starke Schwankungen im Bestand von Jahr zu Jahr typisch und lassen in der Regel auch Rückschlüsse auf das jährliche Nahrungsangebot zu.


Der Brutbestand wurde über einen Zeitraum von 33 Jahren erfasst. Der Höchstbestand wurde dabei im Jahr 1989 mit insgesamt 54 Brutpaaren erreicht. Im Anschluss wurde leider der Brutbestand in den 90 er Jahren nicht mehr erhoben und erst wieder seit dem Jahr 2008 kontinuierlich erfasst, wenn auch nicht auf allen Quadranten. Mittlerweile werden wieder alle Quadranten bearbeitet und die Zahl der erfassten Brutpaare schwankt zwischen 16 und 23 Brutpaaren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass trotz der Bearbeitung der gesamten Fläche aus zeitlichen Gründen nicht alle Brutpaare erfasst werden. Nach vorsichtiger Einschätzung könnte der tatsächliche Bestand zwischen 35 und 40 Paaren liegen, was im Vergleich zu den Spitzenwerten in den 70er und 80er Jahren letztendlich eine Abnahme bedeutet. Leider lässt sich nicht mehr ermitteln, wann der Bestand in den 90er Jahren eine Abnahme erfuhr und worin die Gründe liegen. Auffällig ist, dass jedes Jahr viele Horste verwaist bleiben, was den Schluss zulässt, dass die Nahrungsverfügbarkeit der begrenzende Faktor ist.

Habicht

Der Habicht ist die einzige Greifvogelart, die über den gesamten Zeitraum von 49 Jahren kartiert wurde. Der Spitzenwert von 17 Brutpaaren wurde im Jahr 1978 erreicht. Über die 80er und 90er Jahre hinweg gab es stabile Bestandszahlen, wenn auch mit leichten Abwärtstendenzen, in den 80er Jahren mit etwa 14-15 Brutpaaren und in den 90er Jahren mit 10-11 Brutpaaren. Nach der Jahrtausendwende nahm der Bestand erneut ab und hat sich jetzt auf ein Niveau zwischen 4-7 Brutpaaren eingependelt. Der Brutbestand ist also auf niedrigem Niveau stabil, sollte aber höher sein. Die Landschaftsstruktur und die Nahrungsverfügbarkeit des MTB lässt einen höheren Bestand erwarten.

Siegfried Feuerbaum gab in den Kommentaren zu den jährlichen Bestandserhebungen als Hauptgrund für die langsame, aber stetige Abwärtsbewegung die illegale Greifvogelverfolgung an, die nicht nur hier, sondern auch in anderen Landesteilen NRWs leider immer noch eine Rolle spielt. So wurde im Werner Stadtgebiet in zwei Fällen illegale Habichtverfolgung durch Habichtfangkörbe in Geflügelhaltungen nachgewiesen und zur Anzeige gebracht.   

So gelingt seit vielen Jahren kein Brutnachweis des Habichts auf Werner Stadtgebiet.

In jüngster Zeit kann auch der Uhu als negativer Einflussfaktor eine Rolle spielen, wie Oliver Krüger für den Bereich Ostwestfalen eindrucksvoll nachweisen konnte. Auch auf der Untersuchungsfläche des MTB 4311 ist der Uhu mittlerweile etabliert, es bleibt abzuwarten und spannend zu beobachten, inwieweit auch hier Auswirkungen auf den Habichtbestand erkennbar werden.

Rotmilan

Der Brutbestand des Rotmilans wurde über einen Zeitraum von 42 Jahren erfasst. Der höchste Brutbestand wurde im Jahr 1976 mit 4 erfolgreichen Bruten festgestellt. Somit ist der Rotmilan ein seltener Brutvogel mit stets niedrigen Bestandszahlen. Zwischen 1991 und dem Jahr 2009 gelang kein einziger Brutnachweis. In diesem Zeitraum wurden Rotmilane im Bereich des MTB häufig nur auf dem Durchzug gesichtet und es gelangen keine Beobachtungen, die auf revieranzeigendes oder brutverdächtiges Verhalten schließen ließen. Der Grund für den spärlichen Brutbestand dürfte in der natürlichen Verbreitung des Rotmilans liegen. Er erreicht im Bereich des MTB seine nordwestliche Verbreitungsgrenze.

Im Jahr 2010 gelang dann wieder der erste Nachweis einer erfolgreichen Rotmilanbrut auf dem MTB. Seitdem gelingen wieder regelmäßig, wenn auch selten Brutnachweise. So konnte im Jahr2018 mit drei Bruten fast der Höchststand von 1976 erreicht werden.

Auch die Zahl der Sichtbeobachtungen zur Brutzeit, die keinem bekanntem Brutpaar zugeordnet werden können, hat erkennbar zugenommen. Es ist davon auszugehen, dass weitere Bruten unentdeckt geblieben sind. Diese interessante Entwicklung steht offensichtlich im Zusammenhang mit einer nach Nordwesten befindlichen Ausdehnung der Verbreitung. So konnte im nördlich angrenzenden Kreis Coesfeld eine signifikante Zunahme des Rotmilanbestandes dokumentiert werden.

Dies erscheint umso bemerkenswerter, als dass die Habitatstrukturen auf dem MTB infolge der extrem intensiven Landwirtschaft mit hohem Anteil an Maisanbauflächen und wenig Grünland für den Rotmilan als eher ungünstig einzustufen sind.   Möglicherweise stellt aber der Klimawandel mit der Zunahme von trockenen Sommern einen begünstigenden Faktor dar.

Leider ergibt sich im Untersuchungsgebiet mit der Ausweisung von Windparks ein neuer Konflikt. Der Rotmilan steht als planungsrelevante Art im Fokus widerstreitender Interessen. So kam es in Werne bereits zu einer dokumentierten Vergrämung eines Rotmilanpaares in unmittelbarer Nähe einer geplanten Windkraftanlage.

Wird der Rotmilan sich dauerhaft wieder etablieren und im Bestand weiter zunehmen oder werden limitierende Faktoren, wie Intensivierung der Landwirtschaft und die Ausweisung von Windparks den Aufwärtstrend wieder beenden, dies wird wohl die Fragestellung der Zukunft sein.


Wespenbussard

Als Spätrückkehrer aus seinen Überwinterungsgebieten ist der Bestand schwer zu erfassen, insbesondere wenn er einen neuen Horst baut, gehört viel Glück dazu aktuelle Bruten zu entdecken. Hinzu kommt, dass diese Art häufig den Standort wechselt und somit vorjährig entdeckte Horste keine Garantie für eine Erfassung während der aktuellen Brutperiode geben.

Zudem scheint die Art sehr stark von der Witterung und dem Nahrungsangebot, insbesondere Wespen abhängig zu sein. Somit ist der Wespenbussard auf dem MTB eine seltene Greifvogelart.

Der Bestand wurde über einen Zeitraum von 41 Jahren erfasst. Dabei konnten in den 70er und 80er Jahren für die heutige Zeit erstaunlich hohe Brutpaarzahlen ermittelt werden mit in der Spitze 8 Brutpaaren (1978 u. 1979). Um die Jahrtausendwende erfolgte dann ein massiver Einbruch, von dem die Art sich nicht mehr erholt hat. Mittlerweile werden nur noch sporadisch erfolgreiche Bruten festgestellt. In manchen Jahren gelingen noch nicht einmal Sichtbeobachtungen während der Brutzeit.

Diese Entwicklung scheint nicht auf das Untersuchungsgebiet beschränkt zu sein, denn die jährlich zusammen getragenen Ergebnisse der AG Greifvögel zeigen für viele MTBs ein ähnliches Bild mit nur wenigen erfolgreichen Brutpaaren.

Hier wäre es interessant zu erfahren, ob die Entwicklung auf dem MTB 4311 mit stabilen Bestandszahlen vor der Jahrtausendwende und dem massiven Einbruch zu Beginn des neuen Jahrtausends eine regional spezifische Ursache hat oder ob es sich um einen landesweiten Trend handelt mit vergleichbarer Entwicklung auf den anderen MTBs.

Sperber

Der Brutbestand des Sperbers wurde über einen Zeitraum von 29 Jahren erfasst, beginnend mit dem Jahr 1977. War der Sperber infolge der katastrophalen Bestandseinbrüche durch DDT in den 70 er Jahren ein seltener Brutvogel, setzte ab Mitte der 80er Jahre eine deutliche Bestandserholung ein.

So stieg der Brutbestand des Sperbers auf dem MTB kontinuierlich an bis zum Höchstwert von 14 Brutpaaren im Jahr 1999. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Sperber eine leicht zu erfassende Art, da er gewöhnlich in Stangenhölzern brütete und diese gut zu kontrollieren waren.

Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends wurde der Brutbestand dann aus Zeitmangel nicht mehr erfasst. Überraschenderweise stellte sich dann bei Aufnahme der Bruterfassung im Jahr 2011 heraus, dass die typischen Brutreviere in Stangengehölzen nicht mehr besetzt waren.

Die Art hatte in der Zwischenzeit ihre Brutstrategie geändert, was auch durch andere Kartierer bestätigt wurde. Mittlerweile kann der Sperber überall angetroffen werden. Brutplätze z.B. in Hecken, in Baumreihen oder sogar in Kirschbäumen sind dokumentiert. Da der Sperber jedes Jahr ein neues Nest baut, erschwert dies somit die gezielte Suche.

Die Zahl der erfassten Bruten bewegt sich aktuell auf niedrigem Niveau. Die gezielte Suche nach vorjährigen Nestern, sowie die Erfassung anderer Indizien zur Brutzeit, die auf besetzte Reviere schließen lassen, wie z.B. Balzverhalten, Rupfungen, Mauserfedern lassen aber aktuell auf einen Brutbestand von 11-13 Paaren schließen.

Somit hat der Bestand des Sperbers nicht abgenommen, sondern die Erfassung ist aufgrund veränderter Brutstrategien schwieriger geworden.

Baumfalke

Der Brutbestand des Baumfalken wurde über einen Zeitraum von 33 Jahren erfasst. Dabei gelang       der erste Brutnachweis erst im Jahr 1986, was im Wesentlichen daran lag, dass bis zum damaligen Zeitpunkt die Bruthabitate des Baumfalken einfach nicht bekannt waren. Im Bereich des MTB brütet der Baumfalke bevorzugt in der Offenlandschaft in kleinen Feldgehölzen, Pappelreihen und zunehmend in Hochspannungsmasten in verlassenen Rabenkrähennestern und weicht somit in der Wahl seiner Neststandorte von den anderen kartierten Greifvogelarten ab. Zudem unterscheidet sich auch der optimale Zeitpunkt der Erfassung der Brutpaare, denn erst ab Ende Juli, den gesamten August bis in den September hinein können zuverlässig brütende Baumfalken und flügge werdende Jungvögel angetroffen werden. Baumfalken sind dann ausgesprochen ruffreudig und reagieren in Nestnähe auch auf den Einsatz von Klangattrappen.

Der Bestand des Baumfalken ist dabei über den gesamten Kartierungszeitraum stabil, wenn auch mit geringer Siedlungsdichte. Der Höchstwert von 5 erfolgreichen Brutpaaren wurde in den Jahren 2000 und 2021 erreicht. Insgesamt sind 6-7 Reviere bekannt. Somit bestätigt sich hier die Einschätzung für NRW aus dem Monitoring seltener Brutvögel (vgl. Charadrius 57, Heft 3-4, Seite 178).

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